Das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen, wie oft ich mich das Gefragt habe. Warum mache ich das? Warum tue ich mir das an?
Die Antwort ist eigentlich recht einfach: irgendjemand muss es machen! Das Tier in sich, in diesem Fall in erster Hand das Pferd, kann sich nicht wehren oder besser gesagt, es muss extrem viel durchmachen bevor es sich anfängt zu wehren. Wir haben einige Exempel, wo es zum Tot des Bereiters kam, gerade weil sich das Pferd gewehrt hat. Leider habe ich keine Info darüber, wie es danach für das Pferd ergangen ist.
Nichts desto trotz, sind dies Ausnahmen. Gewöhnlicher Weise ist es nicht so offenbar oder gefährlich. Im Alltag schleicht sich der Unmut des Pferdes an. Die Meisten sehen es nicht oder registrieren es nicht, bevor es zu spät ist. Und wenn dann die Zähne in den Oberarm eindringen oder die Nase nach einer Kopfnuss gebrochen ist oder zumindest Blutet, dann ist es der blöde Gaul! Und wenn sie es merken sollten, passen sie sich an, versuchen aber nicht die Ursache heraus zu finden und vielleicht etwas dagegen zu unternehmen. Das Tier redet ununterbrochen mit uns, nur hören die wenigsten zu. Aber unendlich viele Ausreden und Erklärungen sind immer griffbereit, wie z.B.:
“Das hat er schon immer gemacht! Ich muss nur vorsichtig sein.”
“Das hat er noch nie gemacht! Das war das erste Mal.”
“Das macht er nur bei Männer! Er mag keine Männern.”
“Das macht er nur bei Frauen! Er mag keine Frauen.”
“So hat er schon immer ausgesehen!”
“Laut Züchter soll das so sein!”
“Das macht er nur, um mich zu ärgern!”
“Das macht er nur, weil er gelangweilt ist!”
Darum mache ich das. Ich sehe mich als Advokat der Pferde. Ich versuche ihnen zuzuhören. Nein, ich kommuniziere nicht mit ihnen. Zumindest nicht wie die meisten sich das vorstellen. Ich sehe und fühle, was das Pferd versucht zu vermitteln. Ich spüre den Widerstand, ich fühle die Anspannung, ich sehe das Verhalten. Bin ich irgendwie speziell oder überempfindlich, was das Pferd anbelangt? Nein, das bin ich nicht. Das kann jeder und dafür braucht man auch keine Ausbildung.
Es ist nicht anders, als wenn ich Menschen begegne. Da sehe ich auch den Gesichtsausdruck, der mir zeigt ob die Person nun traurig oder froh ist. Ob sie von Schmerzen geplagt wird oder ob es ihr gut geht. Beim Menschen haben wir es gelernt und wir haben gelernt mit einander zu reden um Hilfe oder Unterstützung zu kriegen oder zu geben. Beim Pferd und beim Hund ist es die Körpersprache, die wir lesen müssen, um heraus zu finden, was Sache sein kann. Da gibt es nicht die Möglichkeit, mit ihnen zu reden. Zumindestens nicht für die meisten.
Nun ist die Sache aber weitaus größer, als was wir glauben. Auch wenn ich der Meinung bin, dass das Tier nicht vermenschlicht werden soll, bin ich doch der Überzeugung, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben. Die Knochenstruktur und die Muskelstruktur ist identisch. Auch die Zusammenarbeit der Muskulatur und der Knochen ist gleich. Aber nicht nur physisch sonder auch psychisch sind wir uns ähnlich. Auch an Depression, Trauer, Sehnsucht und Traurigkeit können Tiere leiden. Auch Stress ist ein großer Faktor, was die Gesundheit des Pferdes anbelangt. Stress verursacht vieles was die Verdauung, aber auch den Muskelaufbau anbelangt. Ein gestresstes Pferd kann keine positive Körperentwicklung erreichen.
Alles dies ziehe ich mit in meine Kontrolle des Pferdes. Nicht, dass ich danach suche, sondern es ist wie wenn man jemanden trifft und man bekommt ein Gefühl und registriert es einfach. Nach tausenden von Pferden, die ich in meinen Jahren getroffen habe, funktioniert es genauso. Ich versuche diese Aspekte mit in meine Bewertung einfließen zu lassen. Und hier zeigt sich, WARUM ich so arbeite. Es ist nicht immer der Sattel! Auch wenn der Sattel optimal liegt, bedeutet das noch lange nicht, dass das Pferd Muskeln aufbauen kann oder dass es sich besser oder freier bewegen kann. Wenn das Pferd unter Stress leidet oder ständig unter Strom steht, hilft der beste Sattel nicht. Ein Sattel für 7000:- €, der perfekt angepasst ist und der Reiter perfekt drin sitzen kann und das Pferd optimal arbeiten kann, ist bei einem gestresstem Pferd rausgeschmissenes Geld. Es gibt keinen Sattel, der dem Pferd den Stress nimmt. Hier muss der Eigentümer Nachforschungen unternehmen, um dem Pferd zu helfen und den Stressfaktor eliminieren. Wahrscheinlich ist Stress letztendlich die größte Ursache für Verdauungsprobleme, Hautsensibilität, Muskelverspannung und letztendlich Trageerschöpfung.